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4. Tag des verlängerten Auffahrtwochenendes:

Föhn oder Thermik – Alpentower oder doch Glaubenberg.
Ich kann mich heute nicht entscheiden wohin der Schlepp gehen soll.
Wechsle zweimal hin und her und klinke schlussendlich doch „nur“ über der zweiten Schlierenkrete.
Dort wo es bereits die zwei letzten Tage zuverlässig nach oben ging.

Es ist alles noch blau, keine Wolken, ausser am östlichen Hauptalpenkamm sieht man sowas wie Rotorwolken. Also doch Föhn! Der durch den Wind extrem geneigte Aufwind über der Krete bestätigt meine These. ((1)) So fliege ich vor nach Lungern Schönbühl und wenig später weiter ins Hasliberggebiet. Die vom Wind angeströmten Hänge tragen gut. Hoch über mir sehe ich einen Motorsegler mit stehendem Propeller! Bei einem Motorsegler grundsätzlich ein gutes Zeichen. Scheinbar geht’s hier nach oben. Kurz vor Planplatten – Alpentower gerate ich erwartungsgemäss in ein starkes Lee. Ich drücke den Knüppel nach vorne fliege um die Ecke und schon befinde ich mich auf der Luv Seite. ((2)) Thermik und Föhn vereinigen sich hier, entsprechend schnell geht es nach oben von 2200m auf 3800m in ca. 8min.

Starke Winde neigen den ersten Aufwind. Blick nach Westen in Richtung Fürstein / Glaubenberg

((1)) Starke Winde beinflussen den ersten Aufwind über der zweiten Schlierenkrete

Der Föhneinstieg klappt heute gleich auf Anhin: Dynamisch und thermisch hoch, dann vorfliegen und in den Rotor und nochmals hoch in die Welle.

Und dann piepst das EDS der Sauerstoffanlage im Alarmton- Kein Sauerstoff. Na toll, denke ich mir, so reibungslos hoch und jetzt macht das EDS nicht mit. Ich fluche vor mich hin und ärgere mich grün und blau. Wechsle die EDS Batterie drehe den Sauerstoff auf und zu, entlüfte, verstelle den Regler und 10min später funktioniert das Gerät wieder. Nochmals Glück gehabt. Und weiter geht’s! Aber so richtig in die Welle komme ich beim Dammastock ((3)) dann doch nicht. Es scheint, dass der Föhn doch nicht so stark ist wie am Morgen angenommen.

Bei 4200m fliege ich weiter in Richtung Westen und suche beim Grindelwaldgletscher wieder einen Rotor. Die Gegend ist wie immer atemberaubend schön! Vom Osten her drücken die Südstauwolken über die Bergkrete. Die Bergspitzen sind völlig vereist und eine Schneekristallwolke liegt über Grindelwald. Ein Naturspektakel, welches ich in der Art noch nie gesehen habe. So entscheide ich mich den Erkundungsflug dem Streckenflug heute vorzuziehen und mache bereits einen nächsten Halt bei der kleinen Scheidegg am Fusse der Eigernordwand. Auch hier kommt eine eindrückliche Wolkenwalze über das Jungfraujoch den steilen Berghang hinunter. Ein langsamer Wasserfall aus „Zuckerwatte“ im Zeitlupentempo.

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Wolkenwalze beim Jungfrau Joch.

Über dem Schilthorn steht eine kleine aber saftige Wolke die meine weitere Route bestimmt. Knapp über der Krete komm ich dort mit 180  Sachen an. Ziehe am Knüppel und mach eine enge Steilkurve nach oben. Gleichzeitg winke ich den vielen Asiaten auf der Terasse. Etwas verdutzt winkt der eine oder andere zurück. Gute Thermik bringt mich wieder rund 500m nach oben.

Leicht unentschlossen fliege ich leeseitig weiter nach Westen. Auf der Leeseite finde ich komischer Weise eine tragende Linie, was mir nicht logisch erscheint, aber ich nutze die unsichtbare Strasse und schleiche mit 120 km/h voran. Mit der Ungewissheit wie weit diese Strasse reichen wird. Dort hinten muss ich Höhe machen, sonst reicht es nicht über die nächste Krete, rechne ich mir aus. In dem Moment schnellt der Variozeiger bis zum Anschlag nach oben. Ein kleiner Rotor bringt mich in 5min rund 1000m auf ca. 4200m. Das sollte reichen!

Das Wallis ist in der Talmitte frei von Wolken. Ich fliege in Richtung Leukerbad nach Süden, drehe ab nach Westen und versuche an der Wolkenkante entlang zu fliegen. Mein Plan bzw. die Linie entlang der Wolken trägt leider nicht und ich breche meinen Ausflug ins Wallis hinter dem Wildstrubel wieder ab.

AuffahrtSonntag

Hier gerate ich doch noch in einen starken Abwind und 10min später sind meine 1000m Höhengewinn bereits wieder dahin. Zwei Segelflugzeuge über mir zeigen wo es wieder nach oben geht. Wiederum finde ich den Weg auf die unsichtbare Strasse. Bei Bex ((6)) quere ich das Rhonetal. Vorgestern noch Neuland. Heute Routine. Eine starke und gute Wolkenbasis bringt mich bis nach Megève ((7)) , weiter südwestlich in Frankreich sieht es nicht mehr so einladend aus und ich mache kehrt. Der Rückflug verläuft gut. Da es mit dem Föhn nicht geklappt hat wie erwartet, entscheide ich mich auf dem Rückflug schneller und weiter nördlich zu fliegen. Um die nun starke Thermik besser zu nutzen, zumal die Thermik nahe am Hauptalpenkamm sehr zerrissen ist.

Oberhalb von Aigle mach ich wieder Höhe bis unter die dunkle Wolkenbasis. Die ganzen Voralpen sind durch eine dunkle Wolkendecke komplett abgedeckt und sind thermisch so gut wie tot. ((8)) Weit weit vorne bei Zweisimmen hat es noch Sonne. Da muss ich hin. Zum Glück darf ich heute eine LS-6 fliegen, denn es ist ein langer Weg von ca. 45km. Auf einer Höhe von 3100m gleite ich ab und erreiche bei 2100m westlich von Zweisimmen wieder einen kräftigen Thermikschlauch. Ein anderer Segelflieger etwas querab bemerkt, dass es bei mir zügiger nach oben geht und reiht sich unter mir ein.

Oben an der Basis angelangt sehe ich schon fast wieder bis nach Kägiswil. Ich gleite ab zum Niederhorn. Im Schlepptau, leicht hinter mir versetzt, das Segelflugzeug von vorhin. Er fliegt zum Sigriswiler Grat, muss aber wieder feststellen, dass „mein“ Aufwind besser zieht und reiht sich wieder unter mir ein. ((9)) Hier trennen sich unsere Wege. Ich fliege zum Jänzi, tanke gut 800m Höhe, fliege rüber zum Stanserhorn und suche wieder Aufwind. Eine DG-1000 gesellt sich auf derselben Höhe zu mir. Das versetzt kreisen will nicht so recht klappen und ich fliege weiter nach Osten.

Durch den Aussetzer am Stanserhorn, bin ich nicht mehr allzu hoch, aber für den Weiterflug zu den Eggbergen im Reusstal sollte es gerade noch reichen. Die Wolken über den Eggbergen sehen zumindest vielversprechend aus. Der Föhnwind, der das Reusstal herunter blässt, bringt meine Höhe schneller zum Schwinden als erwartet. Die Ankunftshöhe ist leicht oberhalb der Krete. ((10))

Kaum angelangt, blasen mich Thermik und der Föhnwind rasant nach oben. 2000m Höhengewinn in 10min! Das sind 200m/min, 3.3m/s oder 13km/h. In Segelfliegerkreisen nicht extrem viel, aber es ist immer wieder verdammt eindrücklich. Wenn man bedenkt, dass Flugzeug und Pilot zusammen rund 500kg wiegen.

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((10)) Thermik und Föhn bringen mich schnell 2000m nachoben

Im Osten scheint der Föhn stärker zu wirken als im Westen. Plötzlich bin ich neben der Wolke statt nur darunter. Ich finde die „Zufahrt“ auf den abendlichen Föhn Highway. Leider nicht in der Welle, aber seitlich versetzt zu den Rotorwolken. Normalerweise etwas ruppig, aber heute ziemlich angenehm. Ich fliege nicht allzu schnell vor und versuche nicht unter 3600m zu geraten.

Wie es scheint haben auch andere gemerkt, dass der Föhn gegen den Abend zugenommen hat. Ich treffe auf zwei Segelflugzeuge die denselben Weg, jedoch in der Gegenrichtung eingeschlagen haben. Vor dem Pizol machte ich kehrt um und trete die Rückreise an. Ich nutze die Möglichkeit und optimiere die Fluglinie von vorhin mit Hilfe des Navigationsgerätes. Obwohl es heute sehr einfach ist die richtige Linie zu finden. Die Rotorwolken stehen markant und dort wo es keine Wolken hat strömen kleine Wolkenfetzen nach oben. Das macht die sonst unsichtbaren und komplizierten Windsysteme leicht verständlich.

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Entlang der Föhn- bzw. Rotorenstrasse

Ungefähr 7h und 30 min später bin ich wieder am Dammastock angelangt. Ich war gestern Abend schon hier, zusammen mit einem neugierigen und prächtigen Steinadler. Er hatte 4 Kreise zusammen mit mir gezogen und mich mit seinen Adleraugen gemustert. Bevor er wenig später wieder in der rötlichen Abendsonne verschwand.

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Dammastock auf 12 Uhr!

Ich mache ein letztes Mal Höhe bevor ich nach Kägiswil abgleite. Hinter der Brienzerrothornkette gerate ich in starke Abwinde und habe bedenken, ob es über den Glaubenbielenpass reicht. Der Puls steigt zum ersten Mal etwas an. Ich steche an und schaffe es besser als erwartet mit 300m Reserven über den Glaubenbielenpass. Eine Aussenlandung so nahe und nach solch einem Flug hätte mir gerade noch gefehlt…

Ich lande am Sonntag des Auffahrt-Wochenendes als letzter wieder in Kägiswil. Kaum ist der Flieger im Hangar sind alle weg – auf dem Heimweg. Alleine trinke ich mein gut verdientes Bier und blicke zurück auf 3 Tage bestes Segelflugwetter!

Herr Steinadler ich komme wieder!
Bis zum nächsten Mal!

Milan

Link zum Flug:
http://www.onlinecontest.org/olc-2.0/gliding/flightinfo.html?flightId=-1854862391

 

 

Milan

Milan hat 2010 sein Brevet gemacht und fliegt seither bei der SGOW in Kägiswil.

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