Zwischen dem 14. bis 25. Juni 2021 war es soweit. 17 hochmotivierte Teilnehmer und 10 erfahrene Fluglehrer plus Organisator und Meteo-Guru trafen sich zum jährlich stattfindenden Breitenförderungskurs „Einführungskurs in den Gebirgsflug“ auf dem Flugplatz Samedan, der vom Aero Club der Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Aero Club organisiert wird.
Der Kurs richtet sich an Piloten ohne oder mit wenig Alpenflugerfahrung. Es werden die Grundsätze des sicheren Fliegens in den Bergen gelernt und praktisch erflogen. Einige Teilnehmer hatten bereits mehr als 10 Jahre Flugerfahrung, aber teilweise nur im Flachland. Der Kurs ist daher eine tolle Gelegenheit die Eigenarten beim Fliegen im Gebirge kennenzulernen. Die Anmeldung ist meist bis Ende Januar möglich.
Meine persönlichen Ziele waren es ein anderes Fluggebiet, andere Segelflugzeugmodelle sowie den Umgang mit Sauerstoff (hatte ich vorher noch nie benutzt) kennenzulernen, beim Funken mehr Erfahrung und Sicherheit zu erlangen und die Einweisung für den Windenstart zu machen.
Voraussetzungen
Neben ein paar formalen Bedingungen müssen vor der Teilnahme ein Briefing und Test des absolviert werden. Dieses Segelflug-Pilotenbriefing des Engadin Airports kann bequem online gemacht werden und berechtigt dann zu Starts und Landungen auf dem Flugplatz soweit auch die anderen Anforderungen erfüllt sind.
Flugplatz
Der Engadin Airport (LSZS) liegt auf einer Höhe von 1‘707 m AMSL und hat eine 1.800 x 40m lange Hartbelagpiste, d.h. bei der Landung kann man die Piste schwer verfehlen ;-). Wir Segelflieger konnten diese für die Landung benutzen. Von diesem Platz benötigten wir nur einen Bruchteil (v.a. bei Maloja-Wind). Herausfordernd ist es da schon eher die richtige Einteilung zu fliegen.
Der Engadin Airport liegt in einer FIZ, d.h. es müssen Fluginformationen abgehört und übermittelt werden. Es besteht Funkpflicht. Ausserhalb der FIZ wird dann meist auf die Alpenflug-Frequenz umgeschaltet.
IFR-Verkehr ist jederzeit möglich. Es gab einige Landungen von Privat-Jets, die von überall herkommen; meist aus Europa, aber auch aus weiteren Zielen wie Russland oder Brasilien. Insgesamt war es jedoch sehr ruhig – vermutlich weil es noch Vorsaison und wegen Corona die Reisefreiheit sowieso etwas eingeschränkt war. Beeindruckend – vor allem neben den kleinen Segelfliegern – waren die Landungen eines Airbus A319 aus den Vereinigten Arabischen Staaten für Trainingszwecke bzw. um seine Landeberechtigungen aufrecht zu erhalten.
Auch die Schweizer Armee war präsent:
Fluggerät
Das Tolle an dem Kurs war unter anderem, dass für Schweizer Teilnehmer Doppelsitzer von verschiedenen Schweizer Clubs zur Verfügung gestellt wurden. Die deutschen Teilnehmer sowie Segelflieger mit Einsitzern haben ihr eigenes Material mitgebracht. Es gab nur 2 Einsitzer und der Rest hat in Doppelsitzern trainiert.
Es war eine super Gelegenheit ganz unterschiedliche Segelflugmodelle kennenzulernen.
- Arcurs
- DG-500
- DG-1001
- Duo Discus
- Twin Astir (nach Domenic auch „Einbaum“ genannt)
Die Teilnehmer aus Deutschland konnten nur mit den deutschen Lehrern in den deutschen Fliegern trainieren und die Schweizer analog.
Ablauf
Der Kurs war tip top organisiert. Die Veranstalter haben hier viel Zeit und Mühe investiert, die sich auch gelohnt hat. Der Kurs startete 12 Tage durchgehend um 8:30 Uhr; für Nachteulen herausfordernd und teilweise anstrengend. Es fand ein kurzes Debriefing statt, jeden Tag wurde knapp 45 Minuten lang unterschiedliches Theoriewissen mit Fokus auf die lokalen Gegebenheiten vermittelt (Windenstart, Hangflug, Thermikflug, Luftraumüberwachung, Wellenflug, Sauerstoffbedarf, Menschliches Leistungsvermögen, Gletscherwelt, Lehren aus Zwischenfällen und mehr) und Meteo-Guru Max Lamm hat im Meteo-Briefing für die passenden Wetterbedinungen zum Segelfliegen gesorgt.
Für die Deutschen war das Schweizerdeutsch gewöhnungsbedürftig. Als die Schweizer Hochdeutsch sprachen, dachten die Deutschen immer noch, dass es Schweizerdeutsch sei. Ich kenne das bereits gut aus eigener Erfahrung.
Anschliessend haben die Teilnehmer die Flugzeuge parat gemacht, um gegen Mittag zu starten. Dann setzt meist der Maloja-Wind ein, so dass wir uns am Hausberg Muottas Muragl und Schafberg oder gelegentlich an der Crasta Mora hochkämpfen konnten. Die Gruppen waren in Teams mit einem Lehrer und zwei Teilnehmern eingeteilt, die jeweils in zwei Schichten 1-3 Stunden geflogen sind. Meist erst gegen 19-21 Uhr kamen die letzten Segelflieger zurück. Domenic war hierbei immer der letzte. Viele fragten sich wie er es schafft so lange oben zu bleiben und durchzuhalten.
Windenstart
Eine Windenstarterweiterung ist für die Teilnehmer nur beim Fliegen mit Einsitzern erforderlich. Auch wenn ich diese gerne abgeschlossen hätte, waren die Bedingungen zu gut zum Landen. Stattdessen sind wir geflogen. Man muss halt Prioritäten setzen 😉
Täglich wurden Teilnehmer eingeteilt, um mit dem Quad die Startleinen auszuziehen und via Funk die Flugstarts mit dem Tower abzustimmen. Vor allem die Quad-Fahrten haben Spass gemacht, aber auch das Funken hat geholfen mehr Routine zu erlangen.
Die Gelegenheit mal in der Winde zu sitzen und die Starts aus der Perspektive des Windenführers zu begleiten, haben einige Teilnehmer genutzt. Das ist sicherlich sinnvoll und nützlich, um den Ablauf besser zu verstehen.
Mit den Windenstarts sind wir dann meist 400 m über Platz gekommen – ausreichend um 1-2 Schlaufen am Muottas Muragl zu fliegen. Wenn es dann nicht klappt (war selten der Fall), dann hilft es nur wieder zum Platz zurückzukehren.
Wetter
Die Bedingungen waren perfekt. Jeden Tag konnte geflogen werden. Nur am ersten Tag erfolgten die Starts vom Pistenkopf 03 und aufgrund des Maloja-Windes ansonsten immer von Piste 21. Ganz, ganz selten war der Wind zu schwach, um zum Flugplatz zurückkehren zu müssen. Weiter oben waren die Bedingungen dann ganz unterschiedlich. An vielen Tagen hatten wir optimale Bedingungen, um in eine Welle einzusteigen. Abends und nachts kam dann Bewölkung und es hat meist angefangen zu regnen. Morgens hatten wir dann wieder Top-Wetter mit Sonnenschein.
Eine Wetter-Besonderheit ist die „Maloja-Schlange“, die sich gelegentlich über Silvaplana / Sankt Moritz bildet.
Topografie
Auch wenn nur eine Fluglehrerin direkt vor Ort wohnt und die Umgebung aus dem Eff Eff kennt, waren die meisten Lehrer mit dem Gebiet doch sehr vertraut. Die Mehrzahl der Lehrer ist schon ein wenig älter und unterrichtet regelmässig im Breitenförderungskurs. Wenn wir an Gipfeln vorbeigeflogen sind, dann haben die Lehrer gleich die Namen aufgesagt.
Ich dachte, dass ich es mir nie merken würde, aber Wiederholung hilft doch bei der Einprägung. Einige Berge, die ich mir noch merken konnte sind z.B. der Piz Bernina (4‘049 m), Piz Palü (3‘901 m), Piz Morteratsch (3‘751 m), Piz Landguard (3‘262 m), Piz Quattervals (3‘165 m) und Piz Nuna (3‘124 m). Über letzteren erfolgen die IFR-Anflüge aus Norden. Mit den „Hausbergen“ Muottas Muragl, Crasta Mora und Paradieshüttli wird man bei praktisch jedem Flug konfrontiert.
Fluggebiet
Auch wenn Graubünden direkt an Italien angrenzt, haben sich nur ganz wenige bis dorthin vorgewagt. Da es durch die Bergketten abgegrenzt wird und die italienische Seite teilweise deutlich niedriger liegt, ist es schwer wieder zurückzukommen, insbesondere wenn man sich plötzlich auf der Leeseite befindet und es nur bergab geht.
Graubünden konnten wir jedoch gut erkunden. Mein Fluggebiet hat sich grob auf den Bereich Maloja – Zernez – Berninapass beschränkt. Andere Teilnehmer sind weiter nach Davos, etc. geflogen. Letztendlich ging es aber nicht darum Streckenfliegen zu lernen, sondern mit dem Fliegen im Gebirge vertraut zu werden.
Hangfliegen
Ohne Hangfliegen geht in Samedan nichts, denn nur so kann man sich Hochkämpfen. Wichtig ist es mit den Hangflugregeln vertraut zu sein und die Sicherheitsabstände einzuhalten. Jeder Lehrer beurteilt dies ein wenig anders („Du musst näher an den Hang ran.“ oder „Du musst mehr Abstand vom Hang halten.“). Teilweise befanden sich 5 oder mehr Flieger am Muottas Muragl, was dann schnell anspruchsvoll wird, um die Flieger im Auge zu behalten. Das Flarm hilft da nur begrenzt, da es die Flieger hinter Flanken und Kreten nicht oder nur eingeschränkt anzeigt. Bei Maloja-Wind und guter Sonneneinstrahlung ging es verlässlich wie im Aufzug am Muottas Muragl und Schafberg nach oben.
Wellenflug
Das absolute Highlight war der Wellenflug. Die Wetterkonditionen passten, um an zahlreichen Tagen in eine Welle zu kommen. Alle hatten es geschafft bis auf mich. Am vorletzten Kurstag ist es mir dann als Nachzügler auch noch gelungen. Statt den berüchtigten Rotoren, verlief bei mir der Aufstieg seelenruhig. Es stieg und stieg und stieg.
Mein Lehrer Andy Duppenthaler hatte die Erfahrung, um ein paar Tipps und Stellen zu teilen, an denen es hochging. Sich zur Wolkenvorderseite vorkämpfen und dort einfach zu steigen, war einfacher als gesagt. Es gab viele Wolken und zu erkennen wo es tatsächlich hochgeht, ist gar nicht so einfach. Schnell waren wir dann auf 6.500 m. Ich habe den Steuerknüppel gedrückt und habe die Bremsklappen ausgefahren, damit wir darunter bleiben. Dies war definitiv ein super Erlebnis.
Sauerstoff
Der Flugplatz liegt bereits auf über 1.700 m AMSL. Als Segelflieger kommt man schnell auf 3.000 m und Sauerstoff ist erforderlich. Bei Wellenkonditionen steigt’s und steigt’s. Die höchsten Gipfel liegen über 4.000 m. Ein Teilnehmer ist bis auf knapp über 7.000 m aufgestiegen. Da wir allerdings alle nur mit Sauerstoff via Kanüle ausgestattet waren, wurde eine Maximalhöhe von 6.500 m festgelegt.
Sicherheit
Dies war während der gesamten Ausbildung ein Thema und hat auch einen guten Grund. Die Nähe zum Gelände und die schlechte Sichtbarkeit von Kleinflugzeugen kann doch schnell zu unsicheren Situationen und Unfällen führen. Das Flarm ist absolut hilfreich, aber auch nicht 100% zuverlässig.
Was ich mitgenommen habe, ist es sehr genau den Luftraum zu beobachten. Trotzdem gab es Situationen, bei denen weder der Fluglehrer oder ich einen auf dem Flarm angezeigten Segelflieger frühzeitig gesehen haben; jedoch nie im kritischen Bereich. Teilweise sind die Flieger schwer zu erkennen. Daher sind wir schnell an andere Stellen ausgewichen, wenn es am Muottas Muragl zu voll wurde.
Während dem Theorieunterricht wurde insbesondere auf Sicherheitsaspekte beim Windenstart und Hangfliegen eingegangen.
Abschluss
Als es dem Ende entgegen ging, haben wir uns noch zu einem gemeinsamen Grillabend und Abschlussessen im Restaurant Piste 21 getroffen. Das war ein gelungener Abschluss.
Fazit
Der Kurs war toll und absolut lohnenswert. Die Konditionen sind sehr günstig. Es ist sinnvoll sich frühzeitig um eine Unterkunft zu bemühen, da das Feriengebiet insbesondere während der Corona-Zeit sehr beliebt war und die Gegend in und um Sankt Moritz nicht zu den günstigsten Plätzen gehört.
In der Organisation und Durchführung steckt sehr viel Arbeit, die von den Teilnehmern geschätzt wurde. Die Zusammenarbeit mit dem Airport Engadin war tadellos. Da wenig IFR-Verkehr war, konnten wir oft nach den Landungen die Piste zum Zurückschieben benutzen – eine extreme Erleichterung statt die Flieger durch das Gras zu schleppen. Auch Zürich Delta hat uns oft gute Flughöhenfreigaben bis FL 240 (8‘000 m) erteilt, um das Maximum aus den Wellen herauszuholen. Wir konnten dieses Potential aufgrund von Sauerstoff mit Kanüle gar nicht ganz ausschöpfen und sind unter 6.500 m geblieben.
Interessant war es auch über neue Technologien zu erfahren, die in anderen Vereinen eingesetzt werden wie Haubenblitzer, Insektenentfernung im Flug und elektronischer Flugzeitenerfassung. Letztendlich sollte man mit der Zeit gehen und die Chancen hinsichtlich erhöhter Sicherheit und Bequemlichkeit wahrnehmen soweit das Kosten/Nutzen-Verhältnis stimmt.
Habe ich meine Ziele erreicht?
- Kennenlernen eines anderen Fluggebiets: Ja
- Kennenlernen anderer Flugzeugmodelle: Ja (DG-1000, Duo Discus)
- Umgang mit Sauerstoff: Ja
- Mehr Sicherheit beim Funken: Ja, aber man muss dranbleiben, um nicht die Routine zu verlieren
- Windenstarteinweisung: Nein, denn das Wetter war zu gut
Hier der Beitrag von Seite 30-32 aus der adler 10/2021, der von deutschen Kursteilnehmern verfasst wurde.
Für den nächsten Kurs vom 13. bis 24.6.2022 geht es hier zur Anmeldung, die bis zum 31.1.2022 noch möglich ist. Viel Spass!
Lieber Flip, herzlichen Dank für den tollen, ausführlichen Bericht. Da packt es mich doch gleich wieder und ich muss ein paar Flugrouten ins nach Samedan studieren. Aufs 2022!
Auch für mich als „nur noch Altaktiver“ ein toller, interessanter Bericht! Hoffentlich für viele Jungpiloten motivierend!
Herzlichen Dank Flip!