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Die Woche über war viel los. So entscheide mich am Samstag erstmals auszuschlafen und am Sonntag fliegen zu gehen. Nach einem ausgiebigen Frühstück am Samstagmorgen, checke ich trotzdem noch das Wetter und sehe, dass für das Mittelland und Süddeutschland gute Thermik prognostiziert wird. Hm, das sieht definitiv besser aus als gestern und im Mittelland war ich dieses Jahr noch nie!

Auf der SGOW Webcam sind die Piloten schon fleissig die Segelflugzeuge am vorbereiten. So telefoniere ich ins Baulokal, um zu prüfen, ob denn überhaupt noch Segelflugzeuge zur Verfügung stehen:
Am anderen Ende der Leitung:
«Hemmeler, Segelflugruppe Obwalden»
«Ja, guten Tag Herr Hemmeler ich würde gerne einen Passagierflug machen»
«……» «Ah, Milan ! Ja, den kannst den kannst du gleich selber machen, es hat noch einen Duo und 3x LS-4»
«Haha, ok gut zu wissen, dann komm ich doch!»

Eine Stunde später als üblich treffe ich auf dem Flugplatz ein und stehe um 11:13 bereits an der Pistenschwelle,aufliniert hinter der Robin – ready for take-off.

Flört ist vor mir gestartet. Er schleppte zur Fräckmündegg und unser «Tschifferli» ist bereits wieder am Boden. Ein gutes Zeichen so tue ich es ihm gleich. Wir haben starken Gegenwind und so machen wir im Schlepp schnell Höhe. Bei 1400m sind wir unter dem dunklen Wolkendeckel. Ich klinke, den höher geht’s ja leider nicht.

Ich fliege vor, bei Malters erwische ich den ersten Schlauch. Die Thermik ist noch schwach. Aber zumindest stehen viele Cumuli im Mittelland. Nach den zwei ersten halbwegs zuverlässigen Schläuchen setzte ich mir eine Arbeitshöhe zwischen 1200-1500m.

Es geht voran, wenn auch nur sehr, sehr langsam, die Thermik liegt bei 05.-0.8m/s und ein Wind von 15km/h bläst mir entgegen. Wo das Zentrum bei den jeweiligen Thermikschläuchen genau liegt ist mir heute nicht immer klar. Es ist nicht wie üblich ein zentrieren und ein anschliessendes hochkurbeln, sondern ein andauerndes korrigieren des Kreiszentrums, der Schräglage etc pp… Kurz gesagt alles andere als entspannend.

(((1))) Nicht immer ganz eindeutig, wo denn jetzt der Schlauch wirklich steht.

 

Aber die Flugrichtung stimmt und Aussenlandeflugplätze sind immer in der Nähe.
Emmen, Triengen, Langenthal, Grenchen so lauten die «Go-To’s» Ein bisschen Entspannung kommt trotz allem doch noch auf, und ein Blick nach unten liegt ab und zu auch drin. Als Beweis: Vier Pfadi- oder Jungwachtlager zähle ich bis Grenchen. Für’s Zählen der Zelte reicht dann die Zeit aber doch nicht. 🙂

Bei Biel finde ich einen komfortablen Einstieg auf die Jurakette. Die Thermik wird hier nicht einfacher. Im Gegenteil. Die Basis ist zwar auf 1900m aber durch den Wind und die Hügel ist hier alles noch schwieriger als es bereits schon ist. Hart erkämpfte Höhenmeter schwinden beim Vorflug wie Butter an der warmen Sonne.

Über dem Jura treffe ich heute zum ersten Mal auf andere Segelflugzeuge. 3 Stück sind gerade über mir. Wie wilde Bienen suchen Sie das Thermikzentrum. Scheinbar bin ich heute nicht der einzige der Mühe mit den Wetterbedingungen hat.

Ein neugieriger Falke zieht zwei Kreise mit mir und zeigt wie es gehen würde. Alles ganz einfach…

Bei Champagne VD finde ich heute den ersten wirklich schönen Thermikschlauch, es muss am Ortsnamen liegen, denke ich mir und steige mit 3m/s. Wie Luftbläschen im Schaumwein geht es nach oben. Ich hatte schon Angst, dass die guten Thermikschläuche ausgestorben sind….

Ursprünglich wollte ich runter bis nach Genf. Aber die Thermik und der Flugspassfaktor können mich am Jura nicht überzeugen. Auf der Waadtländer Ebene stehen schöne Wolken und am Genfersee entlang habe ich das Mittelland noch nie gequert.

Zeit für etwas Neues! Ich mache eine letztes Mal Höhe um eine schöne, fette Höhenreserve für die Querung zu haben um das neue Projekt stressfrei anzugehen.
Oder anders ausgedrückt, einmal Mehr   v e r s u c h e   ich Höhe zu machen:
«Ah, hier steht der Schlauch!»
«Uh, doch nicht, egal da weiter vorne steht ja die fette Wolke»
«Ah, Moment hier! Aber vielleicht mehr rechts!?»
«Oh, hä, auch auch nicht….. dann eben weiter»
«Ah, Wow hier steigst aber! Jetzt hab ich dich!»
«Was!! Wirklich nicht»
«Ha, da ist noch was!»
«NEEEIN!»
«Du kannst mich mal! Ich bin jetzt auf 2250m und bei 2300m kommt sowieso die TMA»
«Ich bin weg!»

ohne Worte

(((2))) ohne Worte

 

Ich gleite bis Lausanne und finde dort eine schöne Wolke und zwei Hängegleiter über mir.
Denen statte ich doch gleich einen Besuch ab. Zackig geht’s nach oben und wenig später sind die Hängegleiter unter mir.

Den Fotoapparat habe ich leider zu Hause vergessen. So muss mein Handy her, den Genfersee werde ich auch diesem Winkel so schnell nicht mehr sehen.

(((3))) Blick auf den Genfersee

 

Nach Lausanne ist der Himmel bis zu den Voralpen wie leergefegt, nur kleine Fetzchen stehen am Himmel und im Norden kommt eine Hohe Abdeckung rein. Hmm. Vorsichtshalber stelle ich mein Goto auf den Flugplatz Gruyeres ein. Kaum ist die Einstellung getätigt, trampe ich bei Vevey in einen Aufwind. Wie so oft verschwinden alle Bedenken, mit einem Variozeiger der sich bei +2m/s einpendelt, sehr schnell wieder.

Bei 2300m ist fertig. Das reicht für einen entspannten Einstieg in die Voralpen bei Montreux.
Bei Berneuse finde ich einen super Aufwind. «Aaaaaah wie schööööön, die Alpen home sweet home!» Hier wird die Thermik ihrem Namen noch gerecht. 3m/s. Zackig geht’s nach oben. Endlich entspannt Thermikkreisen! Von wegen!
Eine DG-800 kommt auf selber Höhe in MEINEN Aufwind. Im Stil von, hau ab das ist mein Stammtisch-Aufwind und setzt sich direkt vor meine Nase, mit einem Abstand von 20m. Das Flarm piepst im Dauermodus. Du Depp denke ich mir! Er schert sich einen Dreck und dreht weiter. Ich habe ihn gut im Blick. Kein Wunder so nahe! Er ist ja nicht zu übersehen!
Das Dauerbiepsen vom Flarm wird ihm vermutlich zu Bunt, denn im Gegensatz zu mir sieht er mich mit Sicherheit nicht. Er dreht er ab. Selber schuld!

Es geht weiter nach Diablerets. Die Voralpen sind durch den Nordwind gut abgeschatten, trotzdem scheint Thermik vorhanden zu sein und mit dem Nordwind könnte ich vermutlich den Berner Alpen bis nach Kägiswil hangsegeln.

Die Lentis über dem Mont Blanc und der Funkspruch, dass es im Wallis Wellen gibt verleiten mich dazu über das Wallis nach Hause zu fliegen. Rüber zum Grossen Sankt Berhard und dann der Alpenkette entlang noch Osten in Richtung Grimsel wäre der Plan.

Der Übergang ins Wallis klappt ganz gut. Der Wind bläst schon ganz ordentlich und ein schöner Thermikschlauch sorgt für eine herzliche Walliser Begrüssung. Bei Ovronnaz versuche ich die Querung nach Verbier, aber starke Abwinde machen mir einen Strich durch die Rechnung. Auch kann ich die Lage auf der Südseite nicht richtig abschätzen. So bleibe ich vorerst auf der Nordseite und finde eine starke Leethermik die mich aus der Misere rettet.

(((5))) Im Wallis klappt es nicht wie geplant. Abwinde verhindern eine Querung in Ovronnaz.

 

So fliege ich zurück und überlege mir Operation Wallis abzubrechen und im Berner Oberland nach Hause zu fliegen. Beim Mont Gond finde ich guten Hangwind, welcher mich und mein Optimismus wieder bis auf 2800m bringt. Das untere Wallis ist ziemlich stark abgedeckt. Weiter oben im Tal sehe ich aber ein blaues Loch im Wolkendeckel. Dort muss es mit einer Welle weit nach oben gehen. So halte ich vorerst an der Operation Wallis fest.

Mit Thermik ist nicht mehr zu rechnen. So hangle ich mich mit Hilfe des starken Winded von Krete zu Krete. Bin aber froh, dass ich nicht immer so das Wallis hochkrebsen muss.

Bei Sion ist dann der Optimismus definitiv zu Ende. Ein Mix aus Thermik und Wind machen mich fix und fertig. Über mir das blaue Loch im Wolkendeckel und ein Segelflugzeug hoch oben, welches den Welleinstieg sucht, drücken zusätzlich auf mein Gemüt. «Das wird hier nichts!» Der Wind ist unzuverlässig und es hat zu starke Turbulenzen für einen sicheren Hangflug.

Grund genug diesen Ort zu verlassen und anderswo mein Glück zu finden. Und im schlimmsten Fall dann eben in Raron landen.

Auf der Nordseite gibt es weiterhin nichts zu finden. Vom Lötschental muss der Wind runterfegen und unten wie eine Düse an den Südhang blasen, überlege ich mir. So wechsle ich kurz vor Raron auf 1700m die Talseite. Tatsächlich es geht nach oben und wie! Einmal mehr hat mich ein Angriff nach vorne mit einer sicheren Option vor einer Aussenlandung bewahrt.

Blick hoch zum abgeschatteten Grimsel

 

Was ich hier antreffe ist extrem eindrücklich. Mit drei Hangkehren steige ich von 1700m wieder hoch auf 2400m! «Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich schon längstens auf der Südseite!»

Bei Visp nochmals dasselbe Spiel. Im Hangflug geht’s nochmals Hoch von 2000 auf 3400m.
Eine Heimkehr über den Grimsel ist somit wieder im Bereich des Möglichen. Obwohl es im Grimselgebiet eher düster aussieht und der Grimselpass mit Wolken verstopft zu schein seit. Von Visp her schwierig abzuschätzen…. Deshalb frage ich per Funk nach ob jemand weiss, ob der Grimsel frei sei, bekomme aber nach 4x fragen keine Antwort. «Sonst quaseln Sie den ganzen Tag und jetzt herrscht Totenstille…»

(((6+7))) Sehr eindrücklich wie schnell die verlorene Höhe mit Hangsegeln wieder gutemacht wird.

 

Dann muss ich eben selber schauen. Im Obergoms finde ich eine nahezu tragende Line ins düstere Grimselgebiet. Trotzdem reicht die Höhe von 2650m noch nicht über den Grimsel. Dieser ist tatsächlich mit einer Wolke verstopft. Die Grimselschlange – und was für eine. Dick als ob Sie gerade ein Schaf verschlungen hat.

Sicht aus 2650m Blick auf den mit Wolken verstopften Grimsel

 

Dann schauen wir mal…. Im schlimmsten Fall bringt mich eine Schleppmaschine vom Münsterlager nach Hause. Zumal ja gerade da Münster Lager ist.

Ein einziger Hang wird noch von der Sonne angestrahlt. Ich hoffe dort Thermik zu finden, um die nötige Höhe über den Grimsel pass zu erreichen. Ich finde keine Thermik, aber gute Hangwinde.

«3100m viel höher geht es leider nicht mehr! Jetzt schaue ich mir die Schlange mal aus der Nähe an!»
Nicht ganz so schlimm wie erwartet. Hinter dem Grimsel sind keine Wolken mehr zu sehen. Nur die Passhöhe ist verstopft. So schlänge ich mich zwischen Wolken über den Pass und gleite ab nach Kägiswil.

(((8))) Aus 3100m sieht es dann wesentlich besser aus.

 

Oberhalb von Flüeli-Ranft mache ich ein letztes Mal Höhe mit hangsegeln.
Die Kühe auf der Alp beobachten mich und schwenken die Köpfe, wie die Zuschauer beim Tennis. Ich muss schmunzeln.

Um 18:44 lande ich als Letzter.
Nach einem anstrengenden, aber sehr spannender Flug mit Champagner, Falken, Kühen und Schlangen.

Hangsegeln in Sachseln – Die Kühe haben Ihren Spass beim zuschauen 🙂

 

Hier geht’s zum IGC File:
https://www.onlinecontest.org/olc-2.0/gliding/flightinfo.html?flightId=1198472262

 

 

 

 

Milan

Milan hat 2010 sein Brevet gemacht und fliegt seither bei der SGOW in Kägiswil.

4 Comments

  • Avatar-Foto Zoom sagt:

    Danke für den tollen Bericht, Milan. Das war richtig aufmunternd. Ich wurde in Sarnen am Do Morgen auf der Hauptstrasse von einem Pneubaggerfahrer nicht gesehen. Der fuhr einfach von hinten in mich rein. Konnte mich Richtung Trottoir von Velo fallen lassen aber Velo und Fuss gingen unter Bagger durch. Operation verlief gut. Habe nun viel Zeit, so interessante Berichte zu lesen. Weiterhin tolle Flüge. Zoom

  • Avatar-Foto Pascal sagt:

    Das ist wirklich ein toller und detaillierter Bericht. Es ist sehr spannend zu sehen, wie ein Top Segelfliegerpilot denkt und die Situation analysiert. Wirklich beeindruckend – besonders auch der Rückflug über den Grimselpass.

  • Peter Steinmann Reuti sagt:

    Du hast Deinem Namen wieder alle Ehre gemacht. Danke für den lehrreichen Bericht.

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