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Kaum aus den Federn klappe ich das Notebook auf und prüfe das heutige Wetter im Internet. Die Thermik- und Wetterbedingungen verlocken eher zum weiterschlafen als zum Fliegen. Aber was soll’s, ich bin schon länger nicht mehr geflogen und fliegen lohnt sich schliesslich immer! Also auf geht’s!

Beim Briefing in Kägiswil werden die Flugzeuge verteilt. Ich liebäugle noch mit einem Flug im Doppelsitzer, da mich das Wetter nicht wirklich überzeugt. Diese werden aber bereits für organisierte Passagierflüge verwendet und so wird mir eine LS-6 zugewiesen. Nehm ich auch gerne!

Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass es heute vermutlich sehr früh anfängt zu Gewittern. Ein Grund mehr schnell zu starten und die fliegbare Zeit optimal zu nutzen. Die ersten Cumulus stehen auch bereits am Himmel und bestätigen die labile Wetterlage.

Um 10.25 Uhr geht’s los! Routinemässig schleppt mich die „Robin“ zum Jänzi. Dort angelangt klinke ich mich aus und erwische den ersten Schlauch gleich auf Anhieb. Sonst habe ich beim ersten Thermikschl immer so meine Mühe…

Schöne Wolkenbasis! Die Wolkengrenze liegt bei 2600m. Eine gute Ausgangslage, denke ich mir. Nun… die Thermik ist stark, die Wolkenbasis ist sehr gut, aber die Flugdauer vermutlich eher kurz auf Grund der angekündeten Gewittern. Da gibt es nur folgendes: Schneller fliegen und das Wetter immer gut beobachten. Dann wird das vielleicht doch ein ganz schöner Streckenflug.

Ich fliege vom Niederhorn über den Thunersee an die Stockhornkette. Unter mir fliegen drei Hängegleiter. Ein gutes Anzeichen für vorhandene Thermik. Der eine steigt schnell nach oben und schliesst zu mir auf. Um 180° versetzt kurbeln wir uns gemeinsam 300m nach oben und winken einander fröhlich zu.

Im Saanenland erwische ich die Thermikschläuche nicht immer auf Anhieb und muss das Gelände leicht absuchen, was mich etwas Zeit kostet. Ich bin aber Flott unterwegs und bin 1h 30min nach dem Start bereits querab von Bex.

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Blick nach Zermatt – Noch keine CB’s in Sichtweite.

Beim Hochkurbeln in der Nähe vom col de la croix ((N°1)) überlege ich mir die weitere Flugroute. Bis anhin hab ich ganz einfach die schönsten Cumulus gejagt. Die Talquerung nach Westen in Richtung Genf wollte ich schon immer einmal machen. Aber erst muss ich im OLC recherchieren, wo man auf der anderen Seite den Einstieg findet. Sonst endet das in Bex. Somit entfällt die Variante.
Dann eben ins Wallis und hoch zum Grimselpass. Über die Krete komme ich nicht. Die Basis ist dafür zu tief. Ich hab aber schon gesehen wie Segelflugpiloten einfach bei Martigny um die Ecke sind. Das mach ich jetzt auch! ((N°2)) All zu hoch bin ich nicht und ich bin gespannt was mich um die Ecke erwartet.

Die Sonne scheint bereits an die Westflanke und einige kleine Wolkenfetzten stehen über der vorgelagerten Krete. Das könnte klappen denke ich mir. Mit gut 110km/h fliegen ich der Bergflanke entlang. Ich habe gehört, dass es beim Rhoneknie oftmals starke Verwirbelungen der Talwinde gibt und fliege deshalb vorsichtig. Wie es scheint gibt es heute aber keine Turbulenzen. Ich komme gerade noch über der Krete an und kann langsam Höhe machen. Vorne an der Ecke angelangt sehe ich bereits eine nächste Cumuluswolke und fliege dort hin.

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Mit ausreichenden 60m Reserve erreiche ich die vorgelagerte Krete und kann wieder höhe tanken.

((N°3)) Entmutig schaue ich das Wallis hinauf. Nicht gerade einladend denke ich mir. Das sieht nach harter Arbeit aus, die viel- zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Das tue ich mir nicht an. Zurückfliegen? Ne, das ist mir zu langweilig. Ich Kreise unter der Wolke und mustere die Gegend um mich herum und überlege. Dumme Sache, vermutlich muss ich wirklich wieder denselben Weg zurück…

Hm, aber auf der anderen Seite in Verbier sieht es einigermassen gut aus. Da fliege ich jetzt mal rüber und entscheide dann wo ich hinfliege. Ich bin über die vielen Strommasten überrascht die auf der Krete in den Himmel ragen. Ich hab aber genügend Höhe um sorgenlos über den Stromleitungen Höhe zu tanken.

((N°4)) Über Verbier angelangt: Hm, in Richtung Süden sieht das wirklich super aus! Und dort hinten beim Grossen Sankt Bernard Pass, war ich noch nie! Da fliege ich hin! Aber dann muss ich wirklich wieder zurück!

((N°5)) Da bin ich nun über dem Pass am Kreisen und schaue wehmütig nach Italien. Das Land mit der besten Küche, schönen Frauen und heute den schönsten Cumuluswolken, die wie die Sirenen in der griechischen Sage nach mir rufen.Im Kopf trage ich die Fakten zusammen:

  • Es ist erst 13.00 Uhr
  • So wie es im Moment aussieht wird es heute vor 16.00-17.00 Uhr nicht gewittern.
  • Ich hab also 2-3h zur Verfügung den Grimselpass zu erreichen.
  • Von dort komme ich bei Gewitterneigung schnell nach Kägiswil
  • Hier im Süden stehen die Wolken schön und garantieren besseres vorankommen.
  • Ich zweifle, dass der Hinflugweg auch als Rückflugweg funktioniert, denn bei Martigny war ein bisschen Glück dabei.

Die Fakten und die Sirenen sprechen bzw. singen für die Südostroute. 🙂

Ich ziehe den letzten Kreis unter der Wolke und fliege nach Südosten und sage zu mir: Fliegen über Italien oder schlimmsten Falls landen auf dem Flugplatz im Aostatal. ((N°6)) Um letzteres zu verhindern fliege ich etwas langsamer und tanke bei jedem Thermikschlauch auf dem Weg wertvolle Höhe.

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Flugroute von Milan. Meilensteine in Blau – siehe text. Angedachte Aussenlandeplätze in Grün.

Es ist immer wieder Traumhaft in neuem Gebiet zu fliegen und neue Regionen zu entdecken. Zumal es sich hier um eine atemberaubend schöne Gegend handelt. Das Matterhorn sehe ich bereits, aber es liegt noch in der Ferne und ist durch Wolken teilweise verdeckt. Entlang von steilen Abhängen und Gletschern geht es in Richtung Zermatt. Etwas gespenstig ist es mir, da ich noch keinen einzigen Streckenflieger angetroffen habe, obwohl die Wetterbedingungen gerade hier perfekt sind.

Den Funk habe ich bereits seit Gstaad auf lautlos gestellt. Einige Segelflugpiloten konnten sich wieder nicht zurückhalten ihren Kaffeeklatsch auf der Alpenflugfrequenz miteinander auszutauschen. So geniesse ich die Ruhe und konzentriere mich aufs Fliegen.

Nahe vor dem Matterhorn steht eine Wolke, die es mir erlaubt ein paar Fotos von dem meist Fotografierten Berg zu machen. Ob sie meine Fotos von der wenig bekannten, italienischen Perspektive auch dazuzählen?

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Matterhorn à la Italiana – ungewohnte Perspektive.

Hier könnte ich, falls es im Osten nicht weitergehen sollte, durch die Lücke nach Zermatt fliegen. Aber im Osten sieht es einladend aus. Ich beobachte ständig den Himmel um erste Anzeichen von Gewittern zu erspähen. In der Ferne, über dem Jura, so scheint es mir, schiessen die Wolken langsam aber sicher in die Höhe. Das wird noch dauern und ist weit weg.

Gerne möchte ich über Domodossola zum Grimsel hoch fliegen. Leider ist die Gegend wenig besonnt, dadurch sehr düster und die Wolken sind tiefer als sonst. Ich entscheide mich deshalb über den Antronapass in Richtung Saas Fee zu fliegen. Unterhalb der Krete fliege ich der Bergflanke entlang und bin gespannt ob ich den Anschluss finden werde((N°9)). Ganz einfach ist es nicht, denn die Thermikschläuche sind zerissen weil der Wind aus Italien mit etwa 20km/h bläst. Zu guter Letzt klappt es und ich bin um 14.15 Uhr im Oberwallis auf der „Rennstrecke“. Der Terminplan passt!

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Immer etwas schwieriger unter der Hauptkrete wieder den Anschluss zu finden. Bei der 2ten etwas vorgelagerten Krete klappt es dann.

Völlig erschreckt zieht es meinen Blick aufs rot leuchtende Flarmradar! Ich kann es fast nicht glauben! Ein Streckenflieger! Der erste an diesem Tag. Ich winke ihm zu, er schaut nur verblüfft. Vermutlich erging es ihm wie mir.

Gegenüber vom Aletschgletscher muss ich feststellen, dass es in Domodossola vermutlich doch nicht so schlecht gewesen wäre. Das Fernweh nach Italien packt mich wieder. Ich bin Kompromissbereit und begnüge mich mit dem Tessin. Ich komme wieder schnell voran. Die Thermik ist stärker geworden 2-4m/s. Kreisend geht es zackig nach oben.

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Blick im Tessin in Richtung Osten. Schöne Basis auf 3700m

((N°10)) Weit weg im Osten braut sich was zusammen. Eine schwarze Wand in der Ferne. Ansonsten ist der Himmel aber sehr einladend. Die Zelle im Osten scheint stationär zu sein.

Weit gefehlt schon wenige Zeit später breitet sich die Gewitterzelle hoch oben am Himmel Richtung Westen aus und fängt an meine Gegend abzudecken. Ich fliege noch bis zum Piz Fess gegenüber von Laax. Im Eiltempo fliege ich wieder nach Westen in besonntes Gebiet. Trotz der Abdeckung gibt es gute Thermik und quer ab von Disentis bin ich wieder an der prallen Sonne.

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Rückflug kurzfristig in abgedecktem Gebiet. – Ambri Blick in Richtung Südosten

In Andermatt hat es keine einzige Wolke darum fliege über übers Bedrettotal zum Grimselpass. Das Oberwallis sieht immer noch gut aus und lädt zu einer Extrarunde ein. Ich passe. Es war ein super und entspannter Flug. Das soll auch so bleiben.

Meiringen ist aktiv. Eine Ju52 tuckert tief unten im Tal durch die Gegend. Die Kreuzung der TMA wird bewilligt. Um 16.30 Uhr klebe ich oberhalb von Lungern mit 2300m unter der Basis. Das sind gut 1300m weniger als die letzten zweieinhalb Stunden.

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Zurück am Grimselplass auf königlicher Höhe

((N°12)) Ich fliege noch bis zum Urnersee. Hier ist Endstation. Die Zelle im Osten hat alles abgedeckt. Weiter im Osten gibt es keine Thermik mehr.

7h und 493km später lande ich Kägiswil.

Es war ein toller Flug! An einem Tag, der vermutlich nicht nur von mir völlig unterschätzt wurde!

Das Fazit der Geschichte? Ich hab es bereits am Anfang angedeutet:

Fliegen lohnt sich immer!

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Schöne CB im fernen Süden.

 

Milan

Milan hat 2010 sein Brevet gemacht und fliegt seither bei der SGOW in Kägiswil.

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